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Daniela Kloock im Gespräch mit Hagemann

Herr Hagemann Sie produzieren derzeit den ersten deutschen 3D Science-Fiction „Creeping Zero“ nach einem Buch von Billy O'Brian.
Der Film war ursprünglich in 2D geplant, wie kam es dann zu der Entscheidung einen 3D Film zu machen?

Auf die Idee ein 3D Projekt zu machen sind wir durch „Avatar“ gekommen. Wir hatten begriffen, dass hier etwas entstanden ist was grundsätzlich für das Genre Science Fiction bzw. Thriller ästhetisch interessant ist. Hinzu kam, dass es von finanzieller Seite her eine enorme Nachfrage nach 3D Filmprojekten gab. Aber das hat sich mittlerweile schon wieder relativiert...

Bleiben wir beim Finanziellen. Wie viel teurer ist denn eine 3D Produktion und woran liegt das?

In der Regel wird ein 3D Film ungefährzwischen 25 und 30 Prozent teurer. Das liegt zunächst daran, dass die Drehbücher in 2D geschrieben wurden und alles erstmal für 3D umgedacht werden muss. Wenn aber ein für 3D geschriebenes Drehbuch die Grundlage für den Film ist dann betragen die Mehrkosten nur noch circa 10 bis 15 Prozent.
Der eigentliche Mehraufwand besteht vor allem bei den Dreharbeiten, wo sie wesentlich mehr Zeit für die Vorbereitungen brauchen. Sie arbeiten ja mit zwei Kameras, die über einen Spiegel zusammengeführt werden. Bei diesem Aufnahmeverfahren verlieren sie sehr viel Licht. Das muß dann aufwändig ausgeglichen werden. Und der dritte Punkt betrifft vor allem die Postproduktion. Hier sind viel mehr technische Schritte nötig als bisher.

Hatten Sie denn ein für 3D gedachtes Drehbuch für „Creeping Zero“?

Der Autor hat z.B. bereits am ersten Drehtag Rückmeldung bekommen vom Schneideraum, dass die Actionszenen zu schnell aufgenommen wurden. Er hat dann das ganze Drehbuch noch einmal geschrieben. Denn die Szenen müssen grundsätzlich langsamer aufgelöst werden in 3D. Die einzelnen Szenen werden also länger. Das stellt andere Anforderungen unter anderem auch an die Schauspieler. Im übrigen darf es auch nicht so viele Ortswechsel geben, weil das Auge des Zuschauers sonst nicht mitkommt.

Es gibt also ganz andere Regeln für Dramaturgie, Bildaufbau, Szenenauflösungen etc.
Wird das denn bereits irgendwo gelehrt?

Im Moment sind wir noch alle Laien, so viel erstmal vorweg. Bis auf James Cameron natürlich (lacht). –
An der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam machen wir verschiedene studentische Projekte zu 3D, aber bisher kann man sagen, dass wir alle im Grunde in einem offenen Versuchsfeld arbeiten.

Immer wieder ist die Rede vom Beruf des Stereographen, was macht der genau?

Es geht bei 3D unter anderem darum die Tiefe des Bildes zu definieren, festzulegen wie Anschlüsse funktionieren und ähnliches mehr. Das alles ist sehr komplex und die Kameramänner haben hierzu keine Erfahrung. Die Stereographie hat sich in den letzten Jahren von einem ursprünglich rein technischen zu einem technischen und inhaltlichen Berufszweig entwickelt, weil letzten Endes technische Entscheidungen Auswirkungen auf den Inhalt haben. „Pina“ von Wim Wenders wäre nicht vorstellbar ohne den Stereographen Alain Derobe, der diesen Film gemacht hat.

Wim Wenders sieht die Zukunft von 3D vor allem im Dokumentarischen,
warum ist für Sie Science Fiction als Genre interessant?

Es gibt Untersuchungen dass 3D gerade für die dunklen Genres, also Science Fiction und Thriller, vom Publikum besonders gerne angenommen werden. Denn hier öffnen sich neue Räume für fantastische Visionen. Wir werden zum Beispiel in unserem Film in den 3D Raum noch einmal einen 3D Raum hineinsetzen, so dass es eine Spiegelung der Spiegelung geben wird. Also eine bisher völlig unbekannte Raumsituation. Und Räume, die unbekannt sind, werden eher akzeptiert. Dagegen steht die These von Wenders, dass 3D das perfektere Medium ist für die Wiedergabe des Realen. Dahinter steckt natürlich die Vorstellung im Kino ein Abbild der Realität zu schaffen.

Gibt es denn schon überzeugende 3D Dokumentarfilme?

Studenten der HFF haben gerade mit einer kleinen 3D Consumer Kamera in einer Schraubenfabrik in Warren gedreht und das Ergebnis ist wirklich atemberaubend. Da haben Sie wirklich das Gefühl, Sie sind ganz nah dran. Das hat wirklich Größe.

Rückt uns das hypergenaue Medium 3D nicht zu sehr auf den Leib? Es gibt neurophysiologische Untersuchungen, die besagen, dass ein Raum, der übergenau repräsentiert ist, eher stört. Salopp ausgedrückt: wir brauchen einen „Freiraum“ um Bilder mental  zu verarbeiten und zu genießen und das entfällt bei 3D.

Es gibt da sicher physiologische Grenzen. Aber wenn Sie auf die Überforderung der Zuschauer anspielen so habe ich mit dem Phänomen der Dichte in den letzten sagen wir 10 Jahren viel mehr Probleme mit der Art und Weise gehabt wie sich die Montage verändert hat. Denn wir haben immer höhere Schnittsequenzen bekommen. Meine Arbeitshaltung in Bezug auf 3D ist, dass ich die Filme verlangsame.

Anders gefragt, verändern wir mit 3D die Sehgewohnheiten?

Bezogen auf das, was im Kino passiert, ja mit Sicherheit.
In der Filmherstellung kommen wir durch die Digitalisierung auf neue Wahrnehmungsformen. Aber: man muß auch sehen, dass es viel mehr Möglichkeiten gibt mit weniger Aufwand an Ressourcen Filme zu machen. Derzeit produziere ich z.B. einen Film in Armenien. Der Regisseur ist dort, der Cutter aber sitzt in den USA, und ich bin hier in Berlin. Via Skype und den schnellen Datenübertragungen können wir gemeinsam bestimmte Schnittfassungen diskutieren. Das wäre in der analogen Welt niemals möglich gewesen.

Eine letzte Frage: Wie sehen Sie die Zukunft des Kinos?

Was wir vor allem brauchen sind völlig neue Kinomacher. Es existiert hier eine extreme Überalterung in bezug auf die Programm- und Arthouse Kinos, wir haben hier wirklich ein demografisches Problem.
Außerdem müssen wir für den Erhalt jedes einzelnen Lichtspielhauses sein. Denn wo ein Kino zumacht entsteht kein neues mehr.

Und die Zukunft von 3D?

2D ist in fünf bis sechs Jahren weg.

(das hatten Sie so in Ihrem Vortrag gesagt, ich hätte das gerne als Schlusswort, wäre das okay?)